Immer zu Beginn des Frühlings fühlt sich Deutschland den digitalen Puls. Wir prüfen, wie wir im Vergleich zu anderen Ländern dastehen und wie unser technologisches „Ich“ charakterisiert werden kann. Ohne Zweifel, es ist CeBIT-Zeit. Erstaunlicherweise hält die Reputation der – nach eigener Aussage – immer noch weltweit größten Messe für IT nicht mit dem Stellenwert des Themas Digitalisierung in der öffentlichen Diskussion mit. Man kann den Eindruck gewinnen, dass in allen Branchen nach Herzenslust digitalisiert wird und im Grunde jede Branchenfachmesse in absehbarer Zeit eine IT-Veranstaltung sein wird. Beispiel: Das bestimmende Thema der Hannover Messe Industrie wird, wer hätte es gedacht, Industrie 4.0 sein. Die IAA wird von den Diskussionen rund um das autonome Fahren und die entsprechenden Plattformen geprägt. Was bleibt also noch von der Rest-CeBIT?
Digitalisierung wird als Chance empfunden
Der Branchenverband Bitkom kommt pünktlich zur Messe mit einer Studie um die Ecke, die den Einfluss der Digitalisierung auf Wirtschaft und Gesellschaft beschreibt. Demnach ist diese zumindest in den Unternehmen angekommen. Laut Studie sehen 90 Prozent der befragten Geschäftsführer und Vorstände in Unternehmen ab 20 Mitarbeitern Digitalisierung eher als Chance. Dies untermauert, dass sich die technologiefreundliche Stimmung bei den Entscheidern im Vergleich zu der Erhebung im vergangenen Jahr noch einmal erhöht hat. Entsprechend geben mittlerweile drei Viertel aller Unternehmen an, über eine Digital-Strategie zu verfügen. Diese Aussage haben vor zwei Jahren erst 63 Prozent getroffen.
Eine neue Gelassenheit
Interessanter Weise geben sich die befragten Unternehmen aktuell gelassener, wenn es um ihre digitale Entwicklung geht. So hält nur noch jeder zweite Befragte (55 Prozent) die digitale Transformation für eine große Herausforderung für das eigene Unternehmen. Dieser Wert lag vor zwei Jahren noch bei rund 70 Prozent. Lediglich elf Prozent glauben, dass die Digitalisierung die Existenz des eigenen Unternehmens gefährdet kann. Vor zwei Jahren lag der Anteil mit 19 Prozent noch etwa doppelt so hoch.
Effizienz schlägt in Deutschland Innovation
Nachvollziehbar, jedoch nicht unbedingt erquicklich ist die Tatsache, dass der Digitalisierungsfokus deutscher Unternehmen vornehmlich darauf liegt, bestehende Prozesse zu verbessern und die Effizienz zu steigern. Dies wurde auf dem Digital Evolution Blog schon an unterschiedlicher Stelle besprochen. Nur 39% gaben an, im Zuge der Digitalisierung neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Dieser Wert hat sich in Bezug auf die letzte Studie sogar um ein Prozentpunkt verschlechtert. Hier kommt auch Bitkom-Präsident Dirks zu dem Schluss, dass in anderen Märkten wie den USA oder in Asien Unternehmen stärker neue Produkte und Services sowie neue Geschäftsmodelle entwickeln.
An dieser Stelle wird zu recht wieder das bereits gut eingeführte Bild von der für Deutschland verlorenen ersten Halbzeit des digitalen Zeitalters bemüht. Bleibt die Frage zu klären, warum trotz der viel beschworenen Relevanz des Themas eine einst so stolze Leitmesse wie die CeBIT scheinbar keinen Fuß mehr an den Boden bekommt und ihre Identität mehr oder weniger verloren hat. Gerade heute müsste die Stunde dieser Messe eigentlich wiedergekommen sein. Leider schlägt ihr Puls zunehmend schwächer.
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